(Foto: Bürgergemeinschaft Am Hagen)
Am 11. Juli 2016 hatte Sigrid Kuhlwein, die Vorsitzende des Kulturausschusses des Kreistages Stormarn, das archäologische Landesamtes Schleswig-Holstein gebeten, die AusschussmitgliederInnen und die Kreiskulturreferentin Tanja Lütje direkt vor Ort über die altsteinzeitlichen Besonderheiten des Ahrensburger Tunneltals zu informieren.
Dieser Einladung war Ingo Clausen, zuständig für Stormarn im Bereich „Praktische Archäologie“ des archäologischen Landesamtes gerne gefolgt. Treffpunkt war der Parkplatz am Braunen Hirsch, kurz nach der Bahnschranke.
Zu diesem Zeitpunkt fuhr ich dort vorbei, bemerkte eine Ansammlung von Menschen, von denen mir noch einige aus meiner Zeit als Stadtverordneter und Umweltausschüssler bekannt waren. Aus Verwunderung, warum so viele Abgeordnete des Kreistages hier „rumlungerten“ (anwesend waren u.a. Bernd W. Freytag, Maria Hengst, Heidrun Tacke, Joachim Germer, Klaudia Rahmann, Maik Neubacher, Janne Bollingberg), hielt ich kurzentschlossen an und erfragte den Grund (Ergebnis: siehe Absatz oben)
Mein Antrag, den Ausschuss auf seiner Exkursion sozusagen als interessierter und teilweise sachkundiger Hagener begleiten zu dürfen, wurde ohne Gegenstimme angenommen.
Erstes Ziel war die Fundstelle Meiendorf, nahe der Hamburger Stadtgrenze. Hier hat Alfred Rust 1933 seine erste Grabung durchführt. Dies war die erste Feuchtgebietsgrabung in Deutschland überhaupt. Die Fundstücke lagerten in bis zu 8 m Tiefe unterhalb der Wiese. Ingo Clausen hierzu: „Wie dort damals gegraben wurde, das war total lebensgefährlich, da wäre ich nicht runtergeklettert“ und berichtete weiter: „Dieses FHH und Grabungsgebiet ist nicht nur archäologisch wichtig für Nordeuropa, sondern auf dieses Gebiet hier schaut die ganze Welt. In der letzten Zeit waren hier Forscher aus dem Bereich Eiszeitforschung und Paläogeologie (historische Geologie) aus Australien, Japan und Russland, um sich hier direkt vor Ort zu informieren“.
Am Ende des Vortrages an der Fundstelle Meiendorf durfte ich den Mitgliedern des Kulturausschusses zeigen, wo einige Politiker aus Ahrensburg sich vorstellen konnten, eine Tunneltalquerung zur Südtangente (nämlich genau über die Fundstelle Meiendorf) zu bauen. Blankes Entsetzen in den Gesichtern der Kreispolitiker und ein eher leise gesprochener Kommentar von Herrn Clausen. „Die Bahn hätte hier auf dieser Fläche niemals eine Baugenehmigung erhalten.“
Zur Fortsetzung des Vortrages wurde ein Standortwechsel in den südlichen Teil des Tunneltals vorgenommen. Auch hier wusste der Leiter der „Praktischen Archäologie“ mit weiteren Superlativen zu beeindrucken. „Wir haben hier besterhalten und weltweit erstmals als Beleg Pfeil und Bogen nachweisen können. Auch fanden wir hier den ersten Nachweis für den Haushund weltweit. Außerdem wurden hier sowohl die älteste Kunst Nordeuropas als auch die ältesten Musikinstrumente Europas gefunden. Nicht zu vergessen sind die Funde organischer Gerätschaften, Käfer, Blütenpollen und die Nachweise der Fischentwicklung, die ein Forschen an diesen Stellen absolut lohnenswert machen. Und der Stehlmoorhügel (nahe Fliegerweg), hier hinter mir,“ berichtet Ingo Clausen weiter, „beinhaltet mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bis heute unveränderte steinzeitliche Lagerstädten, die bisher noch gar nicht erforscht wurden.“
Zum Abschluss gab der Dezernatsleiter des archäologischen Landesamtes dem Kulturausschuss folgende Ideen und Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg: „Sowohl das Tunneltal als auch die Ahrensburger Kultur besitzen so ein weitreichendes Potential, dass weder von Ahrensburg, noch vom Kreis auch nur ansatzweise genutzt wird. Eine erste Maßnahme wäre, den Höltigbaum (Hamburg) und das Tunneltal miteinander zu verbinden. Über einen Ausstellungsort oder einen Weg zu Grabungsstellen müsste man nachdenken. Außerdem müssten die von Ahrensburg aufgestellten Schilder überarbeitet werden, weil diese dem Wert des Themas nicht gerecht werden und teilweise ins Leere gehen.“ Inwieweit die relevanten Ausschüsse in Stormarn und Ahrensburg diesen Anregungen folgen, wird wohl erst Resultat zukünftiger Beratungen und Beschlüsse sein. Für ein gutes Ergebnis hat sich Herr Clausen jedenfalls mächtig ins Zeug gelegt.
Ich für meinen Teil war äußerst dankbar, dass ich dieser Exkursion beiwohnen durfte und war dann auch ein bisschen stolz, Nachbar solchen einmaligen archäologischen Weltsensationen zu sein.
Euer Ragnar Rohweder